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EWE und die Uni Bremen

    Die EWE AG ist mehrheitlich ein Staatsunternehmen: 74% der Anteile gehören Kommunen im Versorgungsgebiet; nur 26% sind in der Hand privater Investoren. Als Versorgungsdienstleister ist EWE in vielen Geschäftsfeldern aktiv, ein wesentlicher Teil des Umsatzes ist aber das Geschäft mit fossilen Energieträgern. Zwar verbrennt nur noch das Tochterunternehmen swb Kohle, die Abschaltung der entsprechenden Kraftwerke wurde aber wiederholt verzögert und es gibt weiterhin kein festes Datum für einen endgültigen Ausstieg. Insbesondere im Feld Erdgas ist EWE sehr aktiv und macht hier neben Verbrennung für Energiegewinnung auch mit Vertrieb, Handel, Netz und Speicherung Umsatz. So lag die Sparte „Infrastruktur“, in der das Geschäft mit Erdgas (ohne Handel) und Wasserstoff angesiedelt ist, im Geschäftsjahr 2021 bei 12,8% des Gesamtkonzernumsatzes, während „Erneuerbare Energien“ nur 4,4% beitrugen. EWE behauptet, bis 2035 klimaneutral werden zu wollen, bezieht dabei die Verbrennung von Gas aber nicht mit ein und bekennt sich auch offen dazu, dieses Ziel nur durch „Kompensation“ zu erreichen. Statt aus fossilen Energien auszusteigen werden aktuell noch neue Gaskraftwerke in Betrieb genommen, etwa durch die swb am Standort Hastedt in Bremen.

    Tatsächlich wissen wir: Der weitere Ausbau fossiler Infrastrukturen gefährdet die Energiewende, setzt fatale Pfadabhängigkeiten und schafft falsche Anreize, die Energiewende weiter hinauszuzögern. Erdgas ist weder „sauber“ noch sicher, egal wie gut das dem in diesem Feld breit aufgestellten Unternehmen EWE in die Bilanz passt. Die Erzählung von der „Brückentechnologie“ ist eine bewusst gewählte Abwehrstrategie, die die finanziellen Interessen der fossilen Industrie schützen soll. So wurde unter anderem die deutsche Bundesregierung dazu bewegt, sich auf EU-Ebene für die Einstufung von Erdgas als „grünem“ Energieträger einzusetzen. Forscher:innen und Universitäten, die mit der Erdgas-Industrie kooperieren, stützen dieses Narrativ.

    EWE versucht sich mit dem Plan, ihre Erdgasinfrastruktur in Wasserstoffinfrastruktur umzufunktionieren, dieser Kritik zu entziehen. Das ist aus mehreren Gründen irreführendes Greenwashing. Tatsächlich wird der überwiegende Teil der Erdgasinfrastruktur (bis auf Fernleitungen) rückgebaut werden müssen. Und auch der Teil, der erhalten bleibt, wird ohne Import auf absehbare Zeit statt „grünem“ (aus erneuerbarem Strom hergestellten) vor allem „blauen“ (mit Erdgas hergestellten) und „grauen“ (ebenfalls mit Erdgas hergestellten) Wasserstoff speichern und transportieren. Das liegt daran, dass die Bundesrepublik Deutschland schon aufgrund der begrenzten Flächen zur Stromerzeugung mit Wind- und Sonnenenergie nur einen Bruchteil des auf ihrem Staatsgebiet benötigten Wasserstoffs selbst herstellen kann. Noch dazu ist Wasserstoff ein besonders ineffizienter Energiespeicher und somit ungeeignet zum Skalieren. Auch auf dem Weltmarkt ist grüner Wasserstoff aber nur in (aktuell noch sehr) begrenzten Mengen und zu hohen Preisen zu haben. Sollten nun auch andere Staaten ihre Industrien auf Wasserstoff umstellen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder es wird genug grüner Wasserstoff für alle erzeugt (sehr unwahrscheinlich, vor allem im Zeitraum bis 2050), oder der Preis steigt solange an, bis sich einige Staaten entscheiden, „vorübergehend“ mit Erdgas hergestellten Wasserstoff zu verwenden oder die Umstellung auf Wasserstoff insgesamt weiter hinauszuzögern. Die Lobby der deutschen Gasindustrie (und damit mittelbar auch EWE) versucht zum Beispiel, die staatliche Förderung von „blauem“ (mit Erdgas hergestellten) Wasserstoff in die überarbeite Fassung der deutschen „Nationalen Wasserstoffstrategie“ schreiben zu lassen. So nennt EWE blauen Wasserstoff „nachhaltig“ (obwohl er noch klimaschädlicher sein könnte als Erdgas direkt zu verbrennen) und baut auf ihn in ihrer konzernweiten Wasserstoffstrategie. Doch auch wenn EWE nur auf grünen Wasserstoff setzen würde: Durch den Import großer Mengen grünen Wasserstoffs für den Aufbau der deutschen Wasserstoffindustrie werden die mit seiner Herstellung verbundenen Probleme bloß verschoben, und schon jetzt sind die kolonialen Praktiken der dort tätigen Konzerne offensichtlich.

    Statt, wie es also angemessen wäre, die Nutzung von Wasserstoff möglichst zu beschränken, sieht etwa die Wasserstoffstrategie der „Wasserstoffregion Nordwest“ (also der Bundesländer Bremen und Niedersachsen) den Einsatz von Wasserstoff unter anderem im Verkehrssektor in den Bereichen Schiene, ÖPNV und Schwerlast vor. Diese Strategie unterstützen auch EWE und die Universität Bremen. EWE geht sogar noch weiter und leitet das vom deutschen Bundesverkehrsministerium geförderte Projekt „Hyways for Future“ (da war jemand ganz besonders lustig bei der Namenswahl), das explizit auch Pkw mit Wasserstoff versorgen soll. Während also der lokal mit Wind produzierte Wasserstoff auf absehbare Zeit nicht für das Bremer Stahlwerk reicht (für dessen Umrüstung die Uni Bremen mit EWE kooperiert), macht der EWE-Vorstand eine Spritztour im Wasserstoff-SUV. Und noch einmal zur Erinnerung: Auch die Gaskraftwerke, die ja weiterhin gebaut werden, sollen auf Wasserstoff umgestellt werden. EWE jedenfalls hat klare Prioritäten: Eine Investion von 10 Mio. Euro in das Stahlwerk eines anderen Konzerns lässt sich leichter abschreiben als eine Investition von 90 Mio. Euro in die Umrüstung der eigenen Infrastruktur zur Kraftstoffversorgung. Wie die an der Kooperation mit EWE beteiligten Forscher:innen der Uni Bremen zum Einsatz von Wasserstoff im Verkehrssektor stehen, macht dieses Interview aus 2020 deutlich:

    „Es wird bereits erprobt, ob LKW und Busse wirtschaftlich mit Wasserstoff fahren können. Dies ist natürlich auch für Bremen als Logistik Standort (sic) spannend. In unserem Fall wollen wir darüber hinaus aber auch Züge oder die Binnenschifffahrt mitdenken.“

    Torben Stührmann, Teamleitung Forschungsgruppe „Resiliente Energiesysteme“

    EWE ist also unehrlich darin, die „Klima- und Nachhaltigkeitsziele“ zu unterstützen, und wird bei ihrer Greenwashing-Kampagne von der Uni Bremen unterstützt. Außerdem wird deutlich, dass das zugrundeliegende Problem nicht die „Profitgier“ einzelner, sondern die dem System innewohnende Logik des kapitalistischen Wachstumszwangs ist.